Berufsausbildung im VEB Fischkombinat Sassnitz
Mit 65 Lehrlingen wurde am 01. Mai 1950 im Eingangsgebäude zum ehemaligen Marineobjekt Dwasieden, die 1. Betriebsberufsschule des VEB Fischkombinates Sassnitz mit Internat eröffnet.
Bedingung war damals die Vollendung des 14. Lebensjahres und keine gesundheitlichen Probleme für die Erlangung der Seetauglichkeit.
Die Ausbildung dauerte anfangs1 Jahr, später dann 2 Jahre.
Es war die erste Ausbildungsstätte für Seeleute in der DDR überhaupt und „Matrose der Hochseefischer“ wurde ein Lehrberuf.
Viele Junge Leute nutzten damals diese Ausbildungsstätte, um überhaupt eine seemännische Laufbahn in der DDR zu bekommen.
Die Ausbildung umfasste den theoretischen Teil, wie Seemannschaft,
Nautik, Fangtechnik, Fischereifachkunde und Fächer der Allgemeinbildung.
Theoretisch wurden wir mit dem Kutter K 10 vertraut gemacht, die praktische Ausbildung erfolgte an Bord der Lehrflotte.
Am 13.10 1951 wurde dazu der Lehrkutter SAS 200 „Neues Deutschland“ in Dienst gestellt. Er war mit 32 m Länge der größte Holzkutter Deutschlands und wurde liebevoll „Der weiße Schwan der Ostsee“ genannt. Hier konnten 16 Lehrlinge ihre praktisch ausgebildet werden.
Am 15.01. 1952 wurde in Dwasieden ein neues Schulgebäude für die Lehrlingsausbildung des Fischkombinates eingeweiht.
Im Dachgeschoss befand sich der Lehrnetzboden.
An der Schule wurde im November 1952 ein Lehrlingswohnheim mit 200 Betten eingeweiht, nun war die Ausbildung für 240 Lehrlinge in
6 Fischerklassen und 2 Fischwerkerklassen möglich.
Später wurden beide Gebäude mit einer Baracke verbunden, in der der Lehrnetzboden etabliert wurde, auf dem jetzt auch Schleppnetze aus der Kutterflotte repariert wurden.
Aus dem alten Lehrnetzboden wurden Lehrkabinette.
Aus 24 17-m-Kutter wurde am 01. April 1953 eine Lehrflotte formiert,
auf jedem Kutter fuhren 3 Lehrlinge mit.
Von 1957 bis 1967 wurden die elf 21-m- Kutter ( Zuckerkutter ) aus der Produktionsflotte genommen und als Lehrflotte eingesetzt,
auf jedem Kutter fuhren 6 Lehrlinge mit.
Der Lehrkutter „Neues Deutschland“ wurde 1957 verkauft.
In einer Baracke im Fischkombinat befand sich die Einsatzleitung der Lehrflotte.
Ab 1963 war der Abschluss der 10. Klasse für den Lehrbeginn erforderlich.
1967 wurden die Zuckerkutter verkauft und die Lehrflotte aufgelöst, ab jetzt fuhren 2 Lehrlinge für den 7. Mann auf dem 26,5-m-Kutter.
Ab 1966 gab es die Ausbildung: Vollmatrose der Hochseefischerei mit Abitur, als Voraussetzung für ein Studium an der Seefahrtschule Warnemünde/ Wustrow, zum Erwerb des Patentes B 6 –Kapitän in der Großen Hochseefischerei. Da das Kutter-Kombinat, jetzt auch größere Schiffseinheiten erhielt, wurden B 6- Kader benötigt.
Ein Gaudi war der Kochlehrgang, den jeder Lehrling ab 1967 absolvieren musste.
Ab 1970 etablierte sich die Betriebsakademie und so wurden an der BBS die Meisterausbildungen zum B3 und C3, in Jahreslehrgängen durchgeführt sowie Kältemaschinisten ausgebildet.
1975 wurde der BBS Sassnitz zusätzlich der Name „Max Reichpietsch“
verliehen.
Mit der Wende hatten sich die Aufgaben der Schule abgewickelt.
Viele Jungen haben in der BBS den schweren und verantwortungsvollen Beruf eines Matrosen der
Hochseefischerei erlernt, wurden tüchtige Fischer, Steuermänner und Kapitäne.
Archiv:Voss
Ärmelbinde für Lehrlingsuniform
.....man kann es sich heute nicht vorstellen, aber es war damals ein großes Problem, an ein
ordentliches Messer für die Netzarbeiten zu kommen.
Archiv: Voss
Anfrage
Von 1955 bis 1958 war ich Fischerlehrling bei meinen Vater in Thiessow (KüFi). Wir besuchten seinerzeit die
BBS in Sassnitz im letzten Lehrjahr 1958 vom Januar bis März und zur Abschlußprüfung Juli-August 1958.
Wir waren im Internat untergebracht und ich kann mich erinnern, dass am Internatsgebäude eine Banderole
o.Ä. auf der Außenwand angebracht war:
De ollen Lüd, de warn`t weten, as dat früher ens het heten: Allens wat nix döcht
up Erden, kann ümmer noch eins Seemann werden. Doch hüt, dor is dat anners
worden, nur de Besten dörpen fohren.
Vielleicht hat jemand den Spruch am Internatsgebäude fotgrafiert, oder kann sich daran erinnern.
Kapitän Frank Sakuth
Lehrnetzboden
Wir waren im Turnus mit der Ausbildung auf dem Netzboden dran. Wir befanden uns 1953 in der Vorweihnachtszeit. Die Ausbilder ordneten an, dass jeder Schüler einen Teil der Zeese nach Vorgabe anfertigen sollte. Die Teile zusammengesetzt, mußten dann eine Zeese ergeben. Wer seinen Teil fertig hatte, für den war Weihnachten.
Wir waren hochmotiviert und erwarteten unsere Aufgabe. Die wurde aufgeteilt in Vorflügel, 80er, 60er, 40er, 20er und die Maschengrößen des Steerts, 16 er und 14er. Der ganze Ablauf ist mir nicht mehr gegenwärtig, nur ein Schüler und ich erhielten jeder die 16er und 14er des Steerts.
Wie das alles genau abgelaufen ist, weiß ich nicht mehr. Nur eines ist mir im Bewusstsein geblieben, dass wir schließlich beide mit wunden Fingern noch alleine auf dem Netzboden standen. Der Grund war: das Netz wurde mit Baumwollgarn und der Steert mit Sisal gestrickt. Das raue Garn und die kleinen Maschen waren eine Qual.
Auf dem Netzboden erlernten wir das Spleißen, mit drei und vier kardeeligem Tauwerk und das Knoten. Letzteres auf Schnelligkeit. Wir Schüler saßen jeweils im Reitersitz hintereinander auf einer Bank und hatten einen kurzen Tampen um den Hals hängen. Der Ausbilder rief einen Knoten und wir mussten den Tampen greifen und den Knoten machen und über den Kopf hoch halten. Wer langsam war, erhielt Nachhilfe. Ein Graus an Deck war der "Herkules"! Wer den kennt, dem brauch ich nichts weiter zu erzählen. Wer den nicht kennt, der hat nichts verpasst. Die Kardeele des "Herkules" bestanden aus Sisal und Draht. Eine theoretisch sinnvolle Konstruktion. Nur wenn der "Herkules" unter Spannung geriet, dehnte sich der Sisal. Der Draht konnte nicht mitmachen und dabei brachen einzelne Gespinste. Diese Drahtspitzen durchdrangen die Sisalummantelung und rissen uns die Hände auf. Man nannte sie daher "Läuse". Natürlich ließ sich der gedehnte Herkules auch nicht mehr ordentlich aufschießen. Herkules wurde als Achterleine vom Scherbrett zum Netz eingesetzt und am Netz als Kopftau und Seitenlasche.
Lehrkutter SAS 200 "Neues Deutschland"
Archiv: Kröger
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Lehrling Lohmnn besucht "seine" BBS
1969
Mai 1982
Nach 49 Jahren besuchte Bernd Lohmann die Stätte wo er einst den "schönsten Beruf
der Welt"erlernen durfte und fand fast keine Erinnerungen aus dieser Zeit.
Nach der Wende gründete Bernd L. ein Seefahrtsunternehmen sowie erweiterte sein
Patent als Kapitän auf große Fahrt und das Maschinenpatent bis 750 KW.
Das Seefahrtsbuch heute!
Kapitän Bernd Lohmann zum Hafenfest 2019
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Foto:Gisbert Koch
Eingangsbereich Lehrlingswohnheim um 1965
Foto: Birgit K.
Wer kennt sie nicht, die Essenmarken im Lehrlingswohnheim Dwasieden
Kalenderblattrückseite 1989
PRAKTISCH:
...verrichten Lehrlinge in zweijähriger Lehrzeit alle vorkommenden seemännischen Tätigkeiten, arbeiten
mit allen Fanggeräten, die sie auch montieren und instandhalten, stricken und schneiden Netzteile zu,
lernen , den Fang an Bord verarbeiten und lagern und befassen sich mit einfachen Übungen der
praktischen Navigation.
THEORETISCH:
...lernen u.a. Art und Umfang der Hochseefischerei, Schiffstypen, und deren Aufbau, Anker- und
Rudereinrichtungen, sowie die Fischarten und deren Verhaltens- und Behandlungsweisen,
Grundlagen der Schiffsführung, des Seerechts, der Betriebsökonomie kennen.
VORAUSSETZUNGEN:
...Abschluß der 10.Klasse, volle Seetauglichkeit, kein Brillenträger, Farbtüchtigkeit.
QUALIFIKATIONSMÖGLICHKEITEN:
...nach erfolgreichen Abschluß der Lehrausbildung und praktischer Bewährung:
Kapitän oder Steuermann 10.Klasse (Warnemünde) erforderlich,
Fischverarbeitungstechnik-Ingenieur (Wismar) 10.Klasse erforderlich,
Dipl.Ing. Fischereitechnik (Rostock) Abitur erforderlich,
Dipl.Fischwirt (Berlin) Abitur erforderlich.
VERDIENST:
Lehrjahr:1 75 MDN; 2 90 MDN; 3 125 MDN; 4 155 MDN
monatl.Durchschnittsverdienst auf einen 26,5-Meter-Kutter:
Matrose:934,38MDN; Vollmatrose:1244,48MDN; Bestmann:1351,35MDN; Steuermann:
1524,69; Maschinist: 1557;19MDN; Kapitän: 1906,48MDN.
Auszugsweise aus Bericht :technikus-Reporter Auf Heringsfang in der Nordsee 1966
Foto:Horst Jersak
Foto: Horst Jersak
Foto:Bernd Lohmann
Lehrausbilder Fürstenberg - an den sich jeder Lehrling gern erinnert!
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Lehrling Siegfried Meister (1966)
Auf dem Balkon im Lehrlingswohnheim
Sonntagsausflug zu den "Steinfeldern"
Exkursion nach Berlin
Lehrer Peter Fürstenberg (Potsdam Cecilienhof)
Immer ein Blickfang unsere Lehrlingsuniform
Fotos: Siegfried Meister
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Foto:Dieter Nohr
Lehrling Dieter Nohr (rechts) in Winteruniform
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In der Lehrküche
Ein mehrtägige Kochlehrgang gehörte zur Ausbildung zum Matrosen der
Hochseefischerei. Die Lehrlinge konnten dazu einen Verpflegungssatz (7,80 DDR-Mark?)
wie auf einen Kutter "verkochen". Die Ausbilderin war die Frau des BBS-Direktors
höchst persönlich, die auch Zensuren für unsere Gerichte verteilte. Die Zeit in der
Lehrküche war sehr angenehm und hat allen großen Spaß gemacht.
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Wichtige Nachweise in unserer Ausbildung
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Matrosen-Klasse 1982-1984
Abschlußklasse 1984 vor dem Netzboden (Foto:Jeders)
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Damals war es unser Badestrand!
Als Lehrlinge waren wir oft an den Wochenenden am Strand in Richtung Mukran.
Damals sah es aber dort etwas besser aus. (Fotos: Kiesler Mai 2020)
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