Nautiker Peter Poppitz





Von Sassnitz aus zum Fischen in die Welt


Gespräch zwischen Peter Poppitz vom Vorstand des Fördervereins für das Sassnitzer Fischerei- und Hafenmuseum

und Redakteur der Ostseezeitung Maik Trettin (Auszüge) 


Die Fischerei auf hoher See war seinerzeit ein Abenteuer. Nicht nur wegen der Naturgewalten. Auch politisch und wirtschaftlich hatten die Verantwortlichen der DDR-Fangflotte Klippen und Untiefen zu umschiffen. Jahrelang war Peter Poppitz als Nautiker auf den Fangreisen rund um den Globus unterwegs. "Wir konnten ja auf der ganzen Welt fischen", sagt der 79-Jährige und ergänzt: "Theoretisch". Denn die Staaten dehnten ihre nationalen Fischereizonen immer weiter aus, von anfangs drei auf schließlich zwölf Seemeilen . Die Isländer beanspruchten in den 70er Jahren gar eine Zone von 200 Seemeilen rund um ihre Insel, in der das Fischereirecht ausschließlich bei ihnen liegen sollte. Für die Fischer anderer Nationen wurden

diese Expansionen zum Problem. Der Fisch halte sich nun mal vorwiegend an den Rändern der Meere und Ozeane auf, weiß Poppitz. "Mitten im Atlantik gibt es nichts zu fangen. Da ist es viel zu tief".

Bei 38 Grad im Schatten kam ein Hammel auf den Spieß. Den ließen sich die deutschen Fischer gemeinsam mit den marokkanischen Kollegen schmecken. Mit mehreren afrikanischen Staaten hatte die DDR seinerzeit Verträge geschlossen, um in deren Gewässern fischen zu können. "Die Afrikaner konnten ihre eigenen Meeresgebiete gar nicht entsprechend nutzen, weil ihnen die Schiffe dazu fehlten", sagt Poppitz. Viele von ihnen beschränkten sich deshalb auf die Küstenfischerei. Mit den Marokkanern zum Beispiel gründete die DDR eine gemeinsame Gesellschaft. Die Deutschen stellten die Schiffe und einen Teil der Besatzung und gingen gemeinsam mit marokkanischen Fischern auf Fangreise. Die Sardinen, die ihnen dabei hauptsächlich in die Netze gingen, wurden aber nie in Sassnitz angelandet. "Der Fang wurde gleich in Marokko gelöscht und verarbeitet". Vor Mosambik holten Sassnitzer Fischer beispielsweise Langusten und Garnelen aus dem Meer. Ihren "Fang" brachten sie in Form von Devisen für den ostdeutschen Staat nach Hause. Der gab einen Teil des Geldes wiederum für Fisch aus- für Hering. Für die DDR-Flotte gab es in dieser Zeit keine Genehmigung, in schottischen Gewässern zu fischen. Das übernahmen die Schotten selbst, die ihre Fänge an die Deutschen übergaben. Der für harte Währung erstandene Hering kam mit Kuttern und Trawlern zur Verarbeitung nach Sassnitz und wurde an der hiesigen Fischhalle gelöscht. Die größeren Kühl- und Transportschiffe, die bis 1000 Tonnen Fisch aufnehmen konnten, steuerten Rostock an.

Seine Hoch-Zeit erlebte der  Sassnitzer-Hafen in den 50er und 60er Jahren. Peter Poppitz zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Foto an der Wand. Es zeigt den heutigen Stadthafen. Vor lauter Kuttern ist kaum noch Wasseroberfläche zu sehen. In Päckchen, bis zu drei Kuttern nebeneinander, haben sie an en Brücken festgemacht. 180 Fahrzeuge umfasst die Flotte zu dieser Zeit. Von Sassnitz aus fuhren die Fischer in den Nordatlantik, die Barentssee, die Nordsee, bis nach Afrika oder vor die Küste der USA. "Auf der Georgesbank traf sich die halbe Welt zum Fischen", erzählt der einstige Nautiker. Auch die DDR-Flotte war mit ihren Schiffen und Besatzungen vertreten und stellte dem Hering nach. Die "grüne Pest" wurde die ostdeutsche

Flotte mit einer Mischung aus Anerkennung und Boshaftigkeit bei den Fischern anderer Nationen tituliert. Denn auf dem Meer ging es seinerzeit ziemlich bunt zu. "Man erkannte schon von Weitem, wer da kommt." Jedes Land bevorzugte für seine Fangflotte eine Farbe, die Polen etwa Gelb. Und die Sassnitzer Kutter waren anfangs vorzugsweise grün. Später, sagt Poppitz, kamen die schwarzen "Zuckerkutter" hinzu. Die waren aus Stahl, wurden im Westen gebaut und durch  die DDR mit Zucker bezahlt.  


Erschienen in der Ostsee-Zeitung am 30./31.5.2020 abgeschrieben am 6.2.2024








Meine Kontakte mit der "HAVEL"


Die erste Bekanntschaft liegt sehr lange zurück. Ich fuhr als Matrose auf SAS 285

"SCHLICKBANK" unter Kapitän Braun. Im Frühjahr 1959 erhielten wir den Auftrag,

zusammen mit SAS 274 "HAVEL" unter Kapitän Walter Potschka die erste pelagische

Versuchsreise in der Nordsee zu unternehmen. der Auftrag lautete ein pelagisches

Netz vom Hersteller Larsen in Skagen abzuholen und mit einen Instrukteur 

entsprechende pelagische Versuche durchzuführen. Unser Aufenthalt in Skagen ver-

zögerte sich aber, da der Namenstag der dänischen Königin gerade an unseren Einlauf

gefeiert wurde. Unsere Reaktion war, dass beide Kutter über die Toppen flaggten und

damit in den Augen der Dänen sicherlich etwas Aufmerksamkeit erhielten. Wir selbst

haben den Tag zum Kennenlernen von Skagen genutzt. 

Am darauffolgenden Tag hat die "SCHLICKBANK" als Netzkutter das Netz an Bord ge-

nommem. Unter den Augen des Instrukteurs wurde es fangfertig gemacht, also Kugeln

und Ketten befestigt. Bei den folgenden Versuchshols in der Nähe der norwegischen

Küste waren die Erwartungen groß, wie wohl die Versuche ausfallen würden. Der erste

Versuch hatte einen leichten Netzschaden ohne Fisch zu Folge. Mit Hilfe des Instrukteurs

wurde der leichte Flügelschaden beseitigt und ein zweiter Versuch unternommen. Leider

ging auch dieser fehl, da ein größerer Netzschaden auftrat. Eine Reparatur war in diesem

Fall nicht möglich, hatten wir doch keine Erfahrung mit diesen großen Haufen dünnen

Nylonnetzwerk. Auch der Instrukteur passte, sodass die Reise abgebrochen wurde, ohne

die erhofften Ergebnisse zu bringen. Aber wichtig war die Erkenntnis, dass für eine er-

folgreiche pelagische Fischerei nicht nur die entsprechenden Netze, sondern vor allem auch

Ausrüstungen wie Netzsonde und Schreiber erforderlich sind. Ab Ende 1959 waren dann 

die ersten Kutter damit ausgerüstet und die pelagische Fischerei wurde mit guten Fang-

ergebnissen durchgeführt. Eine kleine positive Erfahrung machten wir aber. Als von 

uns ein sich im Netz verfangener Seeteufel befreit und über Bord gehen sollte, war der 

Instrukteur zur Stelle und bewies uns, nachdem er das Fleisch desselben in der Pfanne 

hergerichtet hatte, wie vorzüglich dieser so schrecklich aussehende Fisch schmecken konnte. 


Einen weiteren engeren Kontakt mit der "HAVEL" hatte ich im Juli 1964. Dazu eine Vor-

geschichte. Ich hatte 1959 ein Studium an der Seefahrtsschule  Wustrow angefangen. Am

Ende des zweiten Studienjahres erlitt ich eine plötzliche Sehschwäche. Der zuständige

Amtsarzt entzog mir daraufhin die Seetauglichkeit und damit wäre meine weitere Zukunft

in der Seefahrt zu Ende gewesen. Der Kontakt der Schulleitung zur Kaderabteilung in Sass-

nitz verlief für mich so, dass ich mein 3- jähriges Studium beenden durfte und nach 

Abschluss desselben eine Stelle an Land erhalten sollte. Der Einsatz erfolgte als Fang-

technologe bei Martin Stüber, nachdem ich noch einen 3-monatigen Lehrgang am Institut

in Rostock in der Fachrichtung Fischereitechnik erfolgreich absolviert hatte. In dieser

Tätigkeit merkte ich aber, dass mir die praktische Erfahrung fehlte, zudem sich der Wunsch

verstärkte, mein Kapitänspatent in Händen zu halten. Die Seetauglichkeit wieder zu er-

langen, war kein einfacher Weg, erst als ich ein persönliches Gespräch mit dem Leiter

des Medizinischen Dienstes in Rostock hatte, bekam ich die Sondergenehmigung für eine

2-jährige Fahrenszeit. Die war notwendig, um das Kapitänspatent zu erlangen, nachdem

ich diese Zeit als Steuermann gemustert und auch 260 astronomische Beobachtungen

erbracht hatte. Da die Steuermannsstelle auf der "HAVEL" neu zu besetzen war, konnte

ich ab Juli 1964 anmustern und diese bis Ende 1966 beibehalten. Die Besatzung war für 

mich nicht neu, da ich 1963 bereits eine Reise als Fangtechnologe an Bord war, sodass

ich mich schnell an Bord eingelebt hatte. Die "HAVEL" hatte inzwischen Netzsonde,  

Schreiber und die pelagische Fischerei gehörte zum Alltag an Bord. Allerdings ein wich-

tiges nautisches Gerät fehlte auf der Brücke, das Radar. Alle anderen 26-m-Kutter waren

damit ausgerüstet, nur die "HAVEL" nicht. Der Grund dafür war, dass bei der Bestellung

der Geräte das Hilfsschiff "KARL-MARX" vergessen worden war, und der Logger nun unser

Gerät bekam. Die Monate ohne Radar hatten für uns keine besonderen Nachteile, bis dann

ein Ereignis eintraf, wo wir das Radar sehr vermissten.

Auf einer Fangreise aus der Nordsee kommend, überraschte uns der Nebel im Öresund.

Anfangs noch leicht, aber zunehmend dichter werdend, hörten  wir nur noch 

durch empfangene Nebelsignale, dass wir nicht allein unterwegs waren. Die einzige

Möglichkeit, überhaupt noch in Fahrt zu bleiben, war die vorausfahrende SAS273 "ELSTER",

unseren Tuckpartner nicht zu verlieren. Wir saugten uns fast am Heck desselben fest und

kamen so noch ganz gut vorwärts. Am Ausgang des Sundes wurde dann ein Nebelsignal

immer lauter und der tiefe Ton desselben ließ uns ahnen, dass wir uns einen größeren Schiff

näherten. Ein plötzliches B.B.-Manöver und Drehkreis durch die "ELSTER", welcher wir na-

türlich auch vollziehen mussten, um den Anschluss nicht zu verlieren, brachte plötzlich

an Steuerbord kurzzeitig eine dunkle Schiffswand in Sicht, die aber durch den Drehkreis

sofort wieder aus dem Blickfeld verschwand. Dies zeigte uns, wie nah wir dem anderen Objekt waren und die ganze Situation sehr gefährlich einzuschätzen war. Die dann leiser

werdenden Signale waren für uns die Gewissheit, dass wir diese Situation überstanden

hatten. Die weitere Heimreise verlief problemlos, nachdem sich der Nebel langsam wieder

aufgelöst hatte. Anfang 1965 bekam die "HAVEL" dann auch ein Radargerät und stärkte

damit unser Sicherheitsgefühl auf den nächsten Reisen. Ende 1966 war dann meine Sonder-

genehmigung  vorbei und damit meine Zeit als Steuermann auf der "HAVEL". Anfang 1967

nahm ich dann eine Tätigkeit in der Fangdirektion wahr, wobei die Erfahrungen der letzten

2 1/2 Jahre eine gute Voraussetzung waren.



Und nun zum letzten Kapitel meiner Verbindung zur "HAVEL"!


Im Mai 1995 wurde ich arbeitslos und bekam kurz danach die Chance, als Projektleiter

das Fischerei-und Hafenmuseum aufzubauen. Unsere Bemühungen einen 26-m-Kutter

als wichtigstes Museumsexponat zu erhalten, um den Besuchern die Arbeits-und Le-

bensbedingungen an Bord anschaulich erklären zu können, wurde erhört und wir konnten

im Herbst 1995 einen Kutter von der Treuhand zum Preis von 1-,DM+MWST kaufen. Die

Überraschung war für mich groß, es handelte sich um die "HAVEL". Lieber wäre uns ein

Kutter mit 220V Bordnetz gewesen, aber wir haben es auch so geschafft, alle Probleme

mit der 110V Spannung zu lösen. Für mich war es wichtig, meine ganze Kraft besonders

in die Erhaltung des Kutters einzubringen. Nach intensiven Vorarbeiten bzw. nach 5

jähriger Stilliegezeit erreichte der Kutter aus eigener Kraft eine polnische Werft. Dort 

wurde das Unterwasserschiff in Ordnung gebracht, der erste Höhepunkt zur Erhaltung der

"HAVEL", war damit erreicht. Mit vereinten Kräften haben wir danach die notwendigen 

Entrostungs und Konservierungsarbeiten duchgezogen. Es erfüllt mich mit Stolz, dass

es uns gelungen ist, die "HAVEL" bis jetzt zu erhalten zu können.


Gruß Klaus-Peter Poppitz  



P.S. Lieber Peter, beim Schreiben Deiner Zeilen hatte ich viel Spaß, denn auch ich konnte eine Zeit auf der "HAVEL"

anmustern und freue mich immer wieder, wenn ich das Kopfkissen in meiner Koje aufschütteln kann. Bitte

kümmere Dich auch weiterhin um den Kutter, damit ich noch oft das Kissen aufschütteln kann. Mathias



Nach oben